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Verantwortlich für die Kunden der Region

Dr. Peter Schäfer hat sich als neuer kaufmännischer Vorstand der Stadtwerke Essen ein großes Aufgabenpaket vorgenommen: Es gilt, wettbewerbsfähig zu bleiben, attraktiver Service- und Energiepartner der Wirtschaft in der Region zu sein und die Stadtwerke für die Herausforderungen der Energiewende zu wappnen. Im Gespräch erklärt er, welche Herausforderungen es zu meistern gilt und welche Lösungswege die Stadtwerke beschreiten wollen.

Dr. Peter Schäfer ist seit dem 1. Januar 2014 kaufmännischer Vorstand der Stadtwerke Essen AG. Er ist seit 18 Jahren in der Energiewirtschaft tätig, davon mehrere Jahre beim E.ON-Konzern im Produktmanagement für Strom und Erdgas. Zuletzt kümmerte sich Dr. Schäfer als Geschäftsführer der E.ON Energy Sales GmbH um den Strom- und Erdgasvertrieb.

Herr Dr. Schäfer, was hat Sie gereizt, den Vorstandsposten der Stadtwerke Essen zu übernehmen?

Dr. Peter Schäfer: Essen kenne ich gut, die Stadt ist für mich Heimat. Bevor ich berufsbedingt in München gelebt habe, war Essen zehn Jahre lang mein Lebensmittelpunkt. Nun freue ich mich, wieder in der Stadt zu wohnen, in der meine beiden Kinder geboren wurden. Und noch ein weiterer Aspekt ist für mich wichtig: Zuletzt war ich bei E.ON für den Strom- und Erdgasvertrieb verantwortlich. Das war ohne Zweifel eine interessante Aufgabe. Bei den Stadtwerken stehe ich für die Stadt und ihre Einwohner in der Verantwortung. Das liegt daran, dass die Bürgerinnen und Bürger direkt am Erfolg der Stadtwerke als städtisches Unternehmen partizipieren. Im Vorstand der Stadtwerke zu arbeiten hat für mich deshalb ein hohes Identifikationspotenzial – auch aufgrund der komplexen Aufgaben.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Stadtwerke Essen?

Dr. Schäfer: Ich sehe drei wesentliche Herausforderungen: Erstens ändern sich derzeit ständig die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Im Moment steht eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zur Diskussion. Wir können noch nicht abschließend beurteilen, welche Folgen das für uns als Stadtwerke haben wird. Zweitens wird der Wettbewerb stärker. Klar ist, dass wir auch in Zukunft unsere Kunden mit Erdgas und Strom zu attraktiven Preisen beliefern und überzeugende Dienstleistungen anbieten wollen. Gleichzeitig müssen die Stadtwerke Essen – und das ist Punkt drei – weiterhin ihren Beitrag zu einer sicheren Energieversorgung leisten.

Als mehrheitlich städtisches Unternehmen sind wir natürlich gehalten, wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten. Dabei geht es um mehr als nur eine Dividende: Die Stadtwerke sind für Essen ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Von jedem eingenommenen Euro wird ein großer Teil wieder in dieser Stadt investiert. Wenn wir hier erfolgreich arbeiten, kommt das direkt wieder der Stadt zugute. Und noch eine Zahl: Von jedem Mitarbeiter der Stadtwerke hängen, statistisch gesehen, 3,5 Arbeitsplätze in Essen ab. Als Stadtwerke tragen wir Verantwortung für diese Menschen. Das ist für uns ein Ansporn, auch in Zukunft erfolgreich zu bleiben.

Die eigene Wettbewerbsfähigkeit hängt auch davon ab, ob es den Stadtwerken Essen gelingt, Erdgas zu marktfähigen Preisen zu beschaffen. Wie funktioniert heutzutage der Einkauf und wo sehen Sie Potenziale für die Stadtwerke?

Dr. Schäfer: Der Markt hat sich grundsätzlich verändert. Seit den 70er-Jahren hatten wir die Preisbindung in Anlehnung an leichtes Heizöl als Fundament der deutschen und europäischen Gaswirtschaft. Diese Preisbindung wurde in den letzten Jahren von einem ölunabhängigen Gashandelsmarkt immer mehr abgelöst. Das hatte zur Folge, dass wir unsere komplette Gasbeschaffung umstellen mussten. Die Preise in unseren Lieferverträgen orientieren sich daher im Wesentlichen an den Preisen der Gasbörse in Leipzig. Um hier die Gasbeschaffung zu optimieren, sind wir eine kommunale Kooperation mit der Gelsenwasser AG und der ewmr GmbH (Energie- und Wasserversorgung Mittleres Ruhrgebiet GmbH) mit Sitz in Bochum eingegangen.

Als Stadtwerke stehen wir im Wettbewerb. Das ist für uns nicht neu. Ohnehin stellen wir uns seit jeher auf dem Wärmemarkt anderen Energiearten wie Fernwärme, Nachtspeicher und Öl. Um also ein attraktiver Anbieter zu bleiben, müssen wir moderne Beschaffungsstrukturen für Erdgas schaffen. Die Basis dafür haben wir. Jetzt geht es uns darum, diese Strukturen zu etablieren, zu festigen und weiterzuentwickeln.

Zur Beschaffung gehört die Versorgungssicherheit. Wie sehen Sie diese vor dem Hintergrund der Lage in der Ukraine und möglicher wirtschaftlicher Sanktionen gegen Russland gewährleistet?

Dr. Schäfer: Etwa 35 bis 40 Prozent des Gasbedarfs deckt Deutschland mit Lieferungen aus Russland. Dieser Anteil ist seit den 70er-Jahren annähernd gleich geblieben. Ich gehe davon aus, dass unsere Gasversorgung aktuell gesichert ist. Ob das auch über einen längeren Zeitraum ohne Erdgas aus Russland der Fall sein wird, kann ich nicht abschließend beurteilen. Meine Erfahrung sagt, dass es auf jeden Fall teurer werden dürfte.

Ich kann nur dazu aufrufen, mit dem Thema in der öffentlichen Diskussion sehr verantwortungsvoll umzugehen. Es hilft niemandem, die Gaslieferungen jetzt zum Spielball eines politischen Kräftemessens zu machen. Die Gaslieferungen liegen – so wie in den vergangenen 40 Jahren – im Interesse von Deutschland und Russland. Es bestehen sehr stabile Lieferbeziehungen, die schon in der Vergangenheit die eine oder andere Krise überstanden haben. Deshalb hoffe ich und gehe auch davon aus, dass die Lage in der Ukraine die Stabilität der Gaslieferung nicht beeinträchtigen wird.

Die Stadtwerke in Deutschland gehören mit zu den Treibern der Energiewende. Wie sieht diesbezüglich der weitere Weg der Stadtwerke Essen aus?

Dr. Schäfer: Unsere oberste Maxime ist, den bisher erfolgreich eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Das gilt sowohl für ein wirtschaftliches solides Wachstum als auch für technische Standards und Weiterentwicklungen. Dazu gehört, dass wir Projekte zur Erzeugung erneuerbarer Energien sehr genau analysieren. Schließlich wollen wir uns nicht übernehmen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir zwischen Karnap und Kettwig kaum genehmigungsfähige Flächen für Windenergieanlagen haben. Deshalb müssen wir uns hier andere Lösungen überlegen. Nach meiner Überzeugung passt im Zuge der wachsenden Bedeutung der dezentralen Energieversorgung unter anderem das Thema Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sehr gut zu Essen. Erzeugt wird gleichzeitig Strom und Wärme. Dadurch ist Kraft-Wärme-Kopplung hocheffizient.

In diesem Bereich betreiben die Stadtwerke bereits einige Blockheizkraftwerke, bei denen wir im Rahmen eines Contractings als Betreiber unsere hohe Kompetenz in Sachen KWK unter Beweis stellen. Beispiele dafür sind die Kupferdreher Siedlung „Seebogen“ oder die Einfamilienhäuser der Allbau AG an der Nöggerathstraße.

Das Contracting stellt dabei ebenfalls ein interessantes Geschäftsfeld dar. Hier erweitern wir unsere Aktivitäten derzeit mit Contracting-Angeboten. Dabei konzentrieren wir uns erst einmal auf Wärmeerzeugungsanlagen. Der Vorteil in diesem Bereich ist, dass wir klare Rahmenbedingungen haben.

Was leisten die Stadtwerke Essen gerade im Hinblick auf Geschäftskunden?

Dr. Schäfer: Ich denke, dass wir verstanden haben, was unsere Geschäftskunden wollen. Die Produkte der Stadtwerke Essen müssen schnell verständlich und preislich attraktiv sein. Sie wollen über einen gewissen Zeitraum, etwa eine Laufzeit von ein bis drei Jahren, die Energiekosten des Unternehmens kalkulieren können. Es kommt aber noch ein Aspekt hinzu: In der Beratung der Geschäftskunden können wir außerdem unsere Stärken als Stadtwerke Essen ausspielen. Dazu gehört einerseits die räumliche Nähe, andererseits aber auch unsere Fähigkeit, individuelle Lösungen zu erarbeiten – egal ob es um Wärme für die Wohnungswirtschaft, um Prozessgas oder um Hallenenergie geht.

Ist der Markt außerhalb der Stadtgrenzen für die Stadtwerke Essen ein Thema?

Dr. Schäfer: Wir sind selbstverständlich in der Lage, unsere Produkte außerhalb Essens zu liefern. Wir tun dies, wenn ein Essener Unternehmen uns fragt, ob wir andere Standorte mitbeliefern können. Wie in der vergangenen Ausgabe von e-ssenz berichtet, versorgen wir beispielsweise deutschlandweit die Filialen von Karstadt mit Erdgas. Unser Ehrgeiz fokussiert darauf, die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, die Essener Industrie und das Essener Gewerbe zu beliefern. Da sehen wir als lokaler Versorger unsere Kernkompetenz. Wir sind zuallererst verantwortlich für die Kunden in der Region!

Vielen Dank für das Gespräch.